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Die Schiefertafel für ABC-Schützen

in der Lehrerwohnung des Freilichtmuseums Beuren

faherradlampe AUTOR Manfred Schaeffler img 9475

Beides ist mittlerweile verschwunden: Die Schiefertafel wurde durch Papier oder sogar ein Tablet ersetzt, der Begriff ABC-Schütze kommt in der Sprache kaum mehr vor. Dabei war die kleine schwarze Tafel mit Holzrahmen noch bis 1970 in Gebrauch. Generationen von Schülern lernten damit das Schreiben und die Grundrechenarten.

Auf dem Sofa der Lehrerwohnung im ersten Stock des Häslacher Rathauses im Freilichtmuseum Beuren liegt die Tafel im Kinderzimmer zwischen Lederranzen und Karl-May-Band. Die Wohnung ist im Zeitschnitt von 1963 eingerichtet. Die Lehrersfamilie Deile wohnte - wie damals üblich und auch erwartet - in der Nähe der Schule, um bei Konflikten und Problemen immer ansprechbar zu sein.

Die Tafel gehörte zusammen mit dem Griffel, einem Schwämmchen und einem kleinen Lappen sowie einem Federmäppchen zur Grundausstattung der Erstklässler. Da damals noch viel Wert auf Schönschrift gelegt wurde konnten die Buchstaben des Alphabets immer und immer wieder geübt werden. Was nicht akkurat genug war ließ sich sofort wegwischen. Von heute aus betrachtet war die schwarze Tafel somit umweltfreundlich, aber auch sehr zerbrechlich. Ältere erinnern sich immer noch an die Ohrfeigen, wenn ihnen die kleine Tafel auf dem Nachhauseweg zerbrach. Das wurde besser als ab 1960 Kunststoff die dünnen Schieferplatten ablöste.

Und an was sich Ältere auch noch erinnern sind die Tatzen und die „Hosenspannetse“, die Schläge mit einem Stock auf´s Hinterteil. Erst 1973 wurde die Prügelstrafe an Schulen per Gesetz verboten. Bis dahin durften Lehrer „ungebührliche Schüler züchtigen“, wie es damals hieß. Geschlagen wurde zwar immer weniger, aber Tatzen mit einem Rohrstock auf die Finger galten lange noch als Erziehungsmittel.

Die kleine schwarze Tafel auf dem Sofa zeigt die Spanne zwischen dem Leben der Kinder heute und dem Schulalltag ihrer Großeltern – mit Kopfrechnen und Auswendiglernen, den Disziplinübungen und Körperstrafen und einer Schule ohne Computer und Handy. Nachbildungen der Tafeln gibt es heute im Tante-Helene-Lädle – etwa für den Einkaufszettel.

Text: Felicitas Wehnert | Bild: Manfred Schäffler 

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Handwebstuhl im Laichinger Weberhaus


webstuhl AUTOR Manfred Schaeffler DSC09210Unten im Keller des Laichinger Weberhauses steht der Handwebstuhl, mit dem das Freilichtmuseum Beuren an die große Bedeutung der Laichinger Leinenweberei aber auch an die Arbeitsbedingungen der Weber erinnert. Der Arbeitsplatz im Keller, die sogenannte Dunk, war dunkel, feucht und im Winter eiskalt. Die Feuchtigkeit erhielt die Leinfaser geschmeidig, erzeugte aber bei den Webern häufig Rheuma und Lungenerkrankungen. Besser hatte es, wer in einer der Fabrikhallen an den großen Webstühlen arbeiten konnte. Über die Hälfte des Dorfes lebte vor rund 200 Jahren von der Leinenweberei, bis ins 20. Jahrhundert arbeiteten viele Weberfamilien in Heimarbeit.
 
Das Weberhaus im Freilichtmuseum, mit dem für die Alb damals typischen Stroh-Lehm-Dach, entstand 1677. Für das Haus wurden vermutlich Mauerreste anderer Bauten verwandt, die durch den 30jährigen Krieg verwüstet waren - eine frühe Form des Recyclings. Im Museum wird es im Zeitschnitt von 1835 und nach dem großen Brand in Laichingen 1853 präsentiert. Die Breite des Handwebstuhls im Keller richtete sich nach der Armlänge des Webers. Mit dem Tritt veränderte er die Kettfäden, und mit dem Schiffchen wurden dann die Schussfäden durchgezogen. Das Spinnrad daneben verweist auf die mühsame Gewinnung des Grundstoffs. Bis aus den sperrigen Leinstengeln durch Trocknen, Brechen und Hecheln die Holzteile herausgefiltert und die Faser zu Garn versponnen werden konnte waren viele Arbeitsschritte nötig und die ganze Familie mit den Kindern beteiligt.
 
leintuch AUTOR Manfred Schaeffler DSC09204Einst wurden Adelshäuser in ganz Europa und betuchte Bürger bis nach Amerika mit dem kostbaren Leintuch beliefert.  Wer etwas auf sich hielt bestellte die Aussteuer für seine Töchter in Laichingen.  Noch heute ist die Tisch- und Bettwäsche ein Begriff.  Das Aufkommen der bunten, pflegeleichten Bettwäsche bedeutete allerdings das Ende vieler Produzenten in Laichingen. Nur wenige Firmen fanden mit Spezialprodukten eine Nische.
 

Text: Felicitas Wehnert | Bilder: Manfred Schäffler 

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Bienenhaus und Bienenwagen

Honig aus den Herbstwiesen

bienenwagen AUTOR Manfred Schaeffler img 9239Sie stellen zahlenmäßig das größte Kontingent der Museumstiere. Vor allem Kinder zieht das geschäftige Treiben am Einflugloch des Bienenhauses magisch an – mit respektvollem Sicherheitsabstand natürlich. Denn wenn sich die Bienen bedroht fühlen stechen sie – zwar nur einmal, dann verlieren sie ihren Stachel und ihr Leben, aber die kleine Wunde brennt dann doch ein paar Stunden.

Mit dem historischen Bienenhaus und dem mobilen Bienenwagen erinnert das Freilichtmuseum an eine bis in die 1960er Jahre weit verbreitete Tradition im Land. Lehrer und Pfarrer hatten ein paar Stöcke im Garten, für viele Bauern und Handwerker war das „Honiggeld“ eine zusätzliche Einnahmequelle, und die Bienen bestäubten zudem die Obstbäume und sorgten so für eine gut Ernte.

 

 

bienenstock AUTOR Manfred Scharffler IMG 9238Das achteckige hölzerne „Immenheim“ aus Köngen stammt von 1913 und ist für 36 Bienenvölker ausgelegt. Der Bienenwagen daneben wurde 1948 von der Ulmer Firma Kässbohrer gebaut und beherbergte bis zur 48 Völker. Ihn hat Lore Hanne nach dem Tod ihres Vaters dem Museum gestiftet. Der Schreiner aus Ohmden zog im Frühsommer meist mit dem Traktor den Wagen mit den Bienen auf die höher gelegene Schwäbische Alb oder in den Schwarzwald, um die verschiedenen Blütezeiten zu nutzen. Wald- und Tannenhonig wurde damals von vielen Wanderimkern 5-Kilo-Weise in verzinkten Blecheimern als besondere Spezialität angeboten.

Heute hat der Imker Matthias Maisch aus Neuffen seine Bienen im Museumsdorf. Den Honig aus den Herbstwiesen gibt es im Eingangsgebäude des Museums zu kaufen.
Eine wachsende Fangemeinde belebt mittlerweile die Bienenhaltung wieder, mit Stöcken in den Gärten, an Wald- und Wiesenrändern und selbst auf den Dachgärten der Städte. Rund 25 000 Hobby- und Erwerbsimker gibt es im Land mit 180 000 Bienenvölkern. Und jedes Volk setzt sich im Sommer aus einigen zehntausend Einzelwesen zusammen, die mit ihrem sprichwörtlichen Bienenfleiß zusammen etwa 20 Kilo Honig produzieren.

Text: Felicitas Wehnert | Bilder: Manfred Schäffler 

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Die historische Waage im Tante-Helene-Lädle

Aufs Gramm genau das Gewicht

waage AUTOR Manfred SchaefflerSie ist das Herzstück auf der Ladentheke im Tante-Helene-Lädle im Freilichtmuseum Beuren: die historische Laden-Waage. Die klassische Form – oben breit, unten schlank – hat sich seit den 1920 Jahren nicht verändert. Damals brachte der Balinger Waagen-ersteller Bizerba die erste Neigungsschaltgewichtswaage auf den Markt. Sie ersparte den Kaufleuten das Hantieren mit den losen Gewichten und garantierte ein grammgenaues Wiegen.

Vermutlich stammt die Bizerba-Waage im Tante-Helene-Lädle auch aus jener Zeit, denn 1929 eröffnete Albert Schach in der Nürtinger Werastraße einen Kolonialwarenladen mit den Dingen des täglichen Bedarfs. Da damals die Lebensmittel unverpackt waren und erst nach dem Einkaufswunsch der jeweiligen Kunden abgefüllt wurden, war die Waage zentraler Bestandteil der Verkaufstheke.

Später übernahm Tochter Helene das Geschäft. Sie wurde zu einer legendären Figur in der Kirchheimer Vorstadt in Nürtingen. Tagsüber stand sie mit frisch gestärkter weißer Schürze hinter der Ladentheke, abends fuhr sie mit ihrem Fahrrad bestellte Waren zu den Kunden. Und wenn spät einer klingelte, weil er zum Vesper noch zwei Eier brauchte, bekam er die auch nach Ladenschluss.

waage AUTOR Gerhard EinseleNeffe Gerhard Einsele erinnert sich noch genau, wie seine Tante Helene Zucker und Mehl, Linsen und Backerbsen aufs Gramm genau abwog und in die spitzen Papiertüten füllte. Damit alles seine Ordnung hatte wurde die Waage regelmäßig einmal im Jahr geeicht. Nach dem Tod von Helene Schach übergab die Familie Einsele die historische Einrichtung des Kolonialwarenladens dem Freilichtmuseum Beuren. Jetzt kommt das Eichamt dorthin und wartet die Waage.

Als Tante-Helene-Lädle wurde der einstige Kolonialwarenladen aus Nürtingen 1997 im Museum zu neuem Leben erweckt. Seither bieten die Ehrenamtlichen des Lädles-Teams während der Saison dort Süßigkeiten und nostalgischen Hausrat aus Holz, Keramik und Emaille an. Und die Waage zeigt immer noch aufs Gramm genau das Gewicht an

Text: Felicitas Wehnert | Bilde: Manfred Schäffler ud Gerhard Einsele

 

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Krählesbinder und Hudelwisch

kraehlesbinder AUTOR Manfred Schaeffler DSC07113Die beiden unscheinbaren Gerätschaften neben dem Eingang des Backhauses im Freilichtmuseum Beuren gehörten bis in die 1960er Jahre zur Grundausstattung eines jeden Dorfes. Mit dem Krählesbinder, dem gusseisernen, gezackten Ring mit Metallhebel wurden die Reisigbüschel zusammengequetscht. Während der kalten Jahreszeit wurden bereits die abgeschnittenen Zweige der Obstbäume oder der Weinreben gesammelt und auf einen halben Meter gestutzt, damit sie in den Backofen passen.

Am Backtag wurde dann der mit Schamottsteinen ausgekleidete Ofen mit den Büscheln angeheizt und dann mit Buchenscheiten auf die richtige Temperatur gebracht. War das Holz runtergebrannt wurde die Glut entfernt und mit dem Hudelwisch der Backofen gesäubert. Dabei mussten die Bäcker schnell wischen, also „hudeln“, damit der Lappen nicht anbrannte.

Die Bäuerinnen setzten der Brotteig bereits am Vortag im Holztrog an und kneteten ihn gründlich, meist 20 bis 30 Laibe, die dann bis zum nächsten Backtag in drei Wochen ausreichen mussten. Sie versahen auch die Brote mit ihrem Zeichen, bevor sie in den Ofen kamen. In der Resthitze wurde dann noch der Blechkuchen gebacken, entweder süß mit Äpfeln und Zimt oder salzig mit saurer Sahne, Lauch, Zwiebeln und Speck.

Die Brote lagerten im Keller auf einem freischwebenden Holzgestell sicher vor Mäusen. Brot war schon immer etwas Besonderes. Nie durfte es weggeworfen werden. War es hart geworden, wurde es eingetunkt, zu Brotsuppe verarbeitet, mit Äpfeln zu Scheiterhaufen oder mit Eiern und Milch zu Armen Rittern veredelt.

Bis in die 1960er Jahren gab es in vielen württembergischen Dörfern Gemeinschaftsbackhäuser. Sie entstanden, als dort Mitte des 19. Jahrhunderts Hausbacköfen wegen der Brandgefahr und aufgrund des höheren Holzverbrauchs verboten wurden. Auch das Backhaus aus Esslingen-Sulzgries wurde, wie die Inschrift am Türsturz anzeigt, 1887 erbaut und 1991 im Freilichtmuseum Beuren zu neuem Leben erweckt.

Die Backteams des Freilichtmuseums und des Fördervereins heizen es zu besonderen Anlässen immer wieder an und backen dort süße und salzige Kuchen oder auch Hefeschnecken und Flachswickel.

 

Text: Felicitas Wehnert | Bild: Manfred Schäffler 

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Die Schneider Gießkanne

Ein Klassiker für Gartenliebhaber

schneider giesskkanne AUTOR Manfred SchaefflerIm Freilichtmuseum Beuren sind sie fast wie zum Trocknen kopfüber über den Staketen-Zaun der Schreinerei Walz gestülpt. Andere stehen beiläufig neben den Beeten in den sieben historischen Gärten, die zum jeweiligen Zeitschnitt der Häuser angelegt sind. Aber nicht nur im Museum findet man sie, bei manch einem schlummert das unhandliche schwere Gartengerät unbeachtet im hintersten Winkel des Schuppens, immer in Gefahr beim nächsten Aufräumen auf dem Sperrmüll zu landen. Doch Achtung: die Schneiderkanne gilt immer noch als Inbegriff der Gießkanne und ist mittlerweile auf Flohmärkten ein gefragter Klassiker.

Die Form und Technik stammten aus Frankreich, hergestellt wurde sie im Schwäbischen. Mit ihrem ovalen Korpus und dem durchgehenden Längsbügel ist sie elegant und praktisch zugleich. Wegen ihrer Robustheit war sie auf Friedhöfen beliebt, wo man sie heute manchmal noch findet. Hinter der verzinkten Gießkanne verbirgt sich eine schwäbische Start-Up Geschichte mit französischem Know-how Transfer.

In Stuttgart-Feuerbach gründete Gottlob Schneider 1876 seine Blechwarenfabrik, wo er wohl als erster in Deutschland mit der Verzinkerei begann. Kennengelernt hatte er das neuartige Verfahren des Feuerverzinkens in Paris, wo der gebürtige Reutlinger nach Wanderjahren in Deutschland, der Schweiz und Frankreich seit 1860 eine Flaschnerei betrieb. Mit dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 musste er Frankreich verlassen und kehrte ins Württembergische zurück. Feuerbach als aufstrebendes Industriezentrum schien ihm ein guter Standort für seinen Betrieb. Im ehemaligen Gasthaus Paradies in der Stuttgarter Straße produzierte er Wannen, Eimer, Geschirre aus Eisenblech und vor allem diese verzinkten Gießkannen mit der schicken französischen Form.

Als er nur etwas über zehn Jahre später relativ jung mit 56 Jahren starb übernahmen seine beiden Söhne Karl und Alexander den Betrieb. Und auch sie setzen voll auf neue Techniken. Mit ihren Warmwasser- und Dampfheizungen avancierten sie zum Hoflieferanten. Aber der Hit war die Gießkanne für deren Massenfertigung sie 1908 neue Blechverarbeitungsmaschinen einsetzten. Die Firma überstand den Ersten Weltkrieg und auch die fast vollständige Zerstörung der Produktionsanlagen im Zweiten Weltkrieg. Die „Schneiderkanne“, die der jüngere Bruder Alexander neu konstruiert hatte, wurde zum Erfolgsmodell und Kultobjekt. Doch mit dem Aufkommen der Kunststoffgießkannen begann das Ende des bei Gartenfreunden so beliebten Klassikers. Sie waren leichter und billiger herzustellen als die Metall-Modelle. 1989 wurde die letzte Schneiderkanne produziert. Mittlerweile ist sie zum begehrten Sammelobjekt geworden.

 

Text: Felicitas Wehnert | Bild: Manfred Schäffler 

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Kirchensaller Mostbirne und Stuttgarter Geißhirtle

prachtbaum AUTOR Manfred SchaefflerEs ist ein Prachtsbaum, der im Freilichtmuseum Beuren die Bienenstände beschattet - mit mächtiger Krone und gefurchtem Stamm. Im Frühjahr umschwirren die Bienen die weißen Blütchen mit den roten und schwarzen Stempeln und sorgen beim Nektar-Transport für die Befruchtung. Die Kirchensaller Mostbirne ist ein Schmuckstück in der Schatzkammer des Freilichtmuseums. Für Museumsleiterin Steffi Cornelius sind die alten Bäume in den Herbstwiesen „ein Kapital, das man uns mitgegeben hat“. Mittlerweile sind die alten Sorten mit den Mostfesten und Apfeltagen und dem neuen Erlebnis.Genuss.Zentrum fester Bestandteil des Museumsprogramms geworden.

Ein Baum als Museumsgegenstand? Natürlich! Auch alte Obstsorten haben eine Geschichte, erzählen von den Stückle und Gütle, die früher viele bewirtschafteten und von den einstigen Ernährungsgewohnheiten. Mit dem Rückgang der Streuobstwiesen und dem Trend zu makellosen Äpfeln und Birnen ist manch alte Sorten vom Aussterben bedroht. Deshalb hütet das Freilichtmuseum in den Beurener Herbstwiesen auch rund 600 traditionelle Apfel-, Birnen-, Zwetschgen- und Kirschbäume und fügt sich damit in die größte zusammenhängende Streuobstlandschaft Europas am Albtrauf ein.

Die Kirchensaller Mostbirne stammt ursprünglich aus Hohenlohe. Dort wurde sie bei Kirchensall als Zufallssämling gefunden und erstmals 1910 in den Obstbüchern erwähnt. Im Jagst- und Kochertal findet man die knorrigen Bäume vereinzelt noch entlang kurviger Vizinalsträßchen.

Im Herbst reifen die goldgelben kreiselförmigen Früchtchen zu einer herben Süße mit bis zu 80 Grad Öchsle. Dann müssen sie schnell verarbeitet werden, denn sie halten maximal zwei bis drei Wochen. Traditionell wurden sie früher meist zusammen mit Äpfeln zu einem süffigen Most vergoren. Eine andere ganz schwäbische Birnensorte findet sich noch in manchen Hausgärten: Das Stuttgarter Geißhirtle. Sie soll um 1750 von einem Ziegenhirten in der Umgebung von Stuttgart entdeckt worden sein. Bereits Ende August ist diese frühe Sorte reif und muss dann sofort verzehrt werden. Liebhaber halten sie am Stil und essen sie komplett mit Kerngehäuse. Mit ihrer feinen Zimtnote liefert sie eine Geschmacksexplosion im Mund. Sie lässt sich auch gut einmachen, schmeckt hervorragend als Birnenkompott oder Birnengsälz und ist gedörrt als besondere Spezialität die Hauptzutat für das Hutzelbrot. 

Text: Felicitas Wehnert | Bild: Manfred Schäffler 

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 Die Kopfstütze im Fotoatelier

kopfstuetze im fotoatelier AUTOR Freilichtmuseum BeurenDas schmale Metallgestänge im Fotoatelier Hofmann im Freilichtmuseum Beuren erscheint rätselhaft. Sein Zweck offenbart sich erst auf den zweiten Blick. Die höhenverstellbare Kopf- und Körperstütze war einst, wie Museumsleiterin Steffi Cornelius erklärt, ein wichtiges Hilfsmittel, damit überhaupt scharfe Bilder zustande kamen. Die Belichtungszeit mit den gewaltigen Fotoapparaten war lange: „Deshalb blicken die Menschen auf den alten Fotos meist auch so ernst, denn sie mussten länger stillstehen, damit das Bild nicht verwackelt.“

Neben der Stütze half oft auch ein Postament oder eine Balustrade, an die man sich unauffällig lehnen konnte. Denn wer damals ein teures Foto machen ließ wollte auch ein möglichst vorteilhaftes Bild von sich bekommen: in feiner Kleidung und würdevoller Haltung, mit ausgesuchten Requisiten und vor bemalten Leinwänden, die prunkvolle Innenräume oder idealisierte Landschaften vortäuschten.

In Kirchheim hielt der Fotograf Otto Hofmann in seinem Atelier über 60 Jahre lang bis 1948 wichtige Stationen im Leben fest: Taufe, Konfirmation, Hochzeit, ein vielleicht letztes Erinnerungsfoto bevor der Ehemann oder der Sohn als Soldat in den Krieg zog. Nach seinem Tod wurde das Gebäude als Gartenhaus und später als Lagerraum genutzt, bis man kurz vor knapp seinen Wert erkannte. Das europaweit einzige erhaltene Tageslichtatelier kam ins nahe Freilichtmuseum und wurde dort im Zeitschnitt um 1900 zu neuem Leben erweckt.

familienfoto AUTOR Privatarchiv CorneliusDie Beschäftigung mit dem Fotoatelier ließ auch Museumsleiterin Steffi Cornelius die eigenen Familienfotos genauer betrachten. Dabei entdeckte sie auf einem Bild aus der Zeit ihrer Urgroßeltern noch die Kopf- und Körperstütze, die sonst oft wegretuschiert wurde. Als sie das Konfirmationsbild ihrer Großmutter von 1923 mit dem ihres Vaters von 1949 verglich fiel ihr auf, dass die gleiche Leinwandkulisse benutzt wurde. So kann ein Besuch im Fotoatelier Hofmann im Freilichtmuseum Beuren auch den Blick fürs private Fotoalbum schärfen.

Text: Felicitas Wehnert | Bilder: Freilichtmuseum Beuren, Privatarchiv Cornelius

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Die Speisekarte der Wilhelmshöhe

Wirtstochter Inge Hafner erinnert sich

speisekarte wilhelmshoehe 1950er jahre REPRO Freilichtmuseum BeurenTellersulz zum Vesper, Hirnsuppe, gemischter Braten mit Spätzle und grünem Salat als Hochzeitsmenü und zum Nachtisch Ananas gekrönt von einer Maraschino-Kirsche und einem Klacks Sahne - die Speisekarten der Geislinger Gaststätte Wilhelmshöhe verraten viel über die Lieblingsgerichte in den 1950er und 60er Jahren. Zusammen mit dem Gartensaal fanden sie im Freilichtmuseum Beuren ihren Platz und erzählen vom Wirtshausleben im vergangenen Jahrhundert.

Inge Hafner, die Tochter des letzten Wirtsehepaares und heute im Vorstand des Fördervereins des Freilichtmuseums Beuren, weiß noch gut, wie sie als Kind kräftig hinter der Theke mithalf. Und wenn sie die alten Organisationspläne anschaut, empfindet sie große Bewunderung für die Leistung ihrer Mutter. „Die hat mit nur zwei Hilfskräften Veranstaltungen mit bis zu 300 Menschen bewältigt“, erinnert sie sich: „Abschlussbälle der Tanzstunde, Vereinsfeste und vor allem Hochzeiten“. In den 1960er Jahren war eine Eisbombe die Krönung des festlichen Menüs. „Die brachte der Konditor unten von der Stadt mit dem Auto hoch auf den Berg“, erzählt sie weiter, „und oben standen schon Koch und Bedienungen mit gezücktem Messer, um sie schnell zu verteilen, bevor sie sich auflöste“.

Daneben spiegeln die Speisekarten den normalen Ausflugsbetrieb mit Schnitzel und Schinkenwurst, Wein-Viertele und Limonade. Neben den Speisekarten fanden auch die Theke, Geschirr und Besteck Eingang ins Museum. Damit verbindet Inge Hafner besondere Erinnerungen.

„Nach dem Krieg gab es noch viele Messer und Gabeln aus Aluminium“, weiß sie. Vor allem ihre Mutter verwandte ihren ganzen Ehrgeiz darauf, sie gegen hochwertiges Besteck aus der ortansässigen WMF-Fabrik auszutauschen. Lange noch wurde ein Gutteil der Einnahmen in die Ausstattung investiert.

Heute freut sich Inge Hafner daran, dass die Gaststätte ihrer Kindheit im Freilichtmuseum Beuren als Erlebnis.Genuss.Zentrum weiterlebt: „Was kann es Schöneres geben, wenn die Erbschaft weitergetragen wird und künftigen Genüssen mit alten Obst- und Gemüsesorten dient.“

Text: Felicitas Wehnert | Repro: Freilichtmuseum Beuren 

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Das Stempelkarussell im Rathaus aus Häslach

stempelkarussell_AUTOR_Sven_Falk.jpgAUTOR Sven FalkDie Amtsstube im Rathaus aus Häslach erinnert Hans Weil, den Vorstandsvorsitzenden des Fördervereins, an seine eigene Laufbahn als Verwaltungsexperte und langjähriger Bürgermeister von Köngen. Vor allem das Stempelkarussell hat ihn sein ganzes Berufsleben begleitet.

Das Gebäude aus Häslach entstand 1789 als Schulhaus mit Lehrerwohnung. 1878 kam zusätzlich die Funktion als Rathaus hinzu. Bis zum Abbau 1989 wurde es mehrmals umgebaut. Im Freilichtmuseum Beuren ist es als typisches württembergisches Dorfrathaus im Zeitschnitt von 1963 eingerichtet: Mit den Original Büromöbeln aus Häslach, dem schwarzem Schnurtelefon, einer Tastenschreibmaschine, einem Tresor und einem Stempelkarussell.

Die Utensilien sind Hans Weil bestens vertraut. Ähnlich sahen die Amtsstuben noch aus, als er 1967 in Löwenstein seine Ausbildung begann. Und er weiß auch den Tresor sofort einzuordnen: „Damals wurden viele Löhne an die Gemeindemitarbeiter noch bar ausbezahlt“ erzählt er. Doch nicht nur Geld wurde im Panzerschrank aufbewahrt, erinnert er sich: „Nachts wurden auch die Stempel im Panzerschrank eingeschlossen, damit keiner mit den Hoheitszeichen Unfug treiben konnte.“

amtsstube haeslacher rathaus AUTOR Sven FalkUnd auch im digitalen Zeitalter spielen Stempel immer noch eine gewichtige Rolle - als Zeichen der Glaubwürdigkeit und Entscheidungsbefugnis. Vielleicht verschwinden sie einmal im Postumlauf, wo sie das Eingangsdatum dokumentieren oder festhalten, ob eine Rechnung bezahlt wurde. Völlig unverzichtbar sind die Dienstsiegel aber als Teil einer Urkunde - etwa auf dem Standesamt bei Geburt, Heirat oder Tod. Sie stellen sicher, dass das Dokument nicht verfälscht werden kann.

Heute freilich ließe sich eine Kommune nicht mehr von so einem kleinen Raum aus mit den wenigen Utensilien wie im Häslacher Rathaus dirigieren. Schon innerhalb seiner Amtszeit als Bürgermeister von Köngen von 1982 bis 2014 haben sich für Hans Weil die Aufgaben im Rathaus gewaltig verändert. Etliche Bereiche sind vielfältiger geworden, andere neu hinzugekommen - die Überwachung des öffentlichen Verkehrs beispielsweise, das ganze kommunale Ordnungswesen, der schulische Bereich, die Kinderbetreuungen, das Zusammenspiel mit anderen Kommunen und den Landkreisen. Eines aber ist gleichgeblieben: dass eine amtliche Urkunde erst durch den Stempel als Dienstsiegel wirksam wird.

Text: Felicitas Wehnert | Bilder: Sven Falk 

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Kontakt

Förderverein Freilichtmuseum Beuren e.V.
Geschäftsstelle
In den Herbstwiesen - 72660 Beuren
 
Telefon: 07025 91190-26 (Montag 9 bis 12 Uhr) 
Telefax: 07025 91190-10
E-Mail: info@foerderverein-freilichtmuseum-beuren.de

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